Lackfolienbilder, Installationen, Videos,
Fotografien von Ilka Vogler,
Einstellungsraum, 21.11. 2002, 19:00 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren,
seien Sie herzlich begrüßt zur Ausstellung von Ilka Vogler.
Sind wir nicht alle freundlich begrüßt und gut aufgenommen worden. Draußen lagen Blumen und Sterne auf unserem Weg in die Ausstellung, eine Einladungskarte und ein Fensterbild in Himmelblau, das Auto inmitten einer florealen Traumwelt. So schön, so süß, so harmlos …
( Die Werber haben erkannt, dass sich Süßes am Besten in Verbindung mit hellblau verkaufen lässt. Schauen Sie mal auf die Zuckerverpackungen. )
So werden wir herein gelockt und gleich mit einem weiteren Zuckerstückchen belohnt. Die Blumen, Blüten und Pflanzenpracht, sie geht hier weiter. Da ist das Himmelblau als Blattwerk und Schlingpflanzengeäßt direkt auf die eine Wand angebracht. Rechts strahlen uns vorwiegend in Rosa herrlich und gar königliche Callas, Lotus und Anturien entgegen. Einzig das saftige, satte Wiesengrün mit Farnen und Wiesenlilien über der Treppe holt uns etwas auf den Boden zurück. Dennoch konnten wir fast denken,- was für eine schöne Ausstellung. Und wäre das in südlichen Ländern auch legitim, wo mit der Schönheit Achtung und Wertschätzung einher gehen, so kommt es uns hier im puritanischen Norden möglicherweise wie pure Verschwendung oder unintelligent vor.
Die, die Ilka Vogler kennen, wissen, welche Art von Schönheit die ihre ist.Denn hinter dem Blau lockt in unerreichbarer Entfernung der Himmel und hinter dem Rosa die immerwährende Frage nach der Unendlichkeit des Herzens. Geht es doch um Sterne und Blumen, tatsächlich?
Und damit donnert uns die Germanistin in ihr die kurzen Schriften zweier deutscher
Dichterphilosophen um die Ohren, das uns die Denkzellen schmerzen. …, und klingen auch sie nicht zunächst so sanft und süß…
Oh Stern und Blume
Geist und Kleid
Lied Leid und Zeit
und Ewigkeit.
Wie einen Blumenstrauß hat Clemens Brentano vor zirka zweihundert Jahren diese Wörter zusammengesteckt und jedes Wort hat seine tiefe Bedeutung. Das Herz mag wohl direkt berührt sein, aber ich versuche mal meine gedanklichen Schlüssel hier unter Sie zu verstreuen und übersetze:
Oh, welch eine Freude, ein Stern leuchtet in der Nacht und zeigt mir einen Weg der Hoffnung, in der ich verbunden sein kann mit etwas unverständlich Großem. Licht ist Geist. Er ist da oben, weit, weit entfernt… oder doch nicht? Die Blume, sie ist hier. Sie blüht am Wegesrand. Sie berührt mein Herz. Ich finde sie auf meinen Wanderschaften, bei meiner Suche nach, ja wonach eigentlich? Dem Idealen, der unendlichen Vielfalt, einem Plan, dem Vollkommenen?
Der Geist ist licht und weit, das Kleid, wie die Haut, wie die Blume ist in seiner Erneuerung im Sterben und Erblühen ohne Ende. Damit erklärt sich schon der Rest: Geist und Leben stehen sich gegenüber und sind doch verschmolzen für ein Stück weit des Weges. Das Leben geprägt von Freud und Leid, von Lust und Abschied nehmen, von Erinnerung und Sehnen, nie ist der Wanderer im Jetzt anwesend, immer auf der Suche bis in alle Ewigkeit.
Mir scheint im Reflektieren, die Romantik inmitten allgemeiner Rastlosigkeit aktueller denn je – oder wie es andere spirituelle Weise ausdrücken: das Rad dreht sich unaufhörlich und das Leben der Menschen ist voll von Schmerz.
Und damit schummelt Ilka auch das Rad ins Bild: der Stern als Rad, das Symbol für nobles Fahren, weltweit begehrte Trophe und anerkannter Status. Der Herrscher im Begriff nach den Sternen zu greifen? Die Eroberung des metaphysischen Raumes durch das Auto?
Ilka sagte, sie habe bei Virillo, der ja viel über Geschwindigkeit verfasst hat, nochmal nachgelesen. Machterweiterung ginge mit größerer Bewegungsmöglichkeft einher, durch das Pferd und das Schiff sei erst der Imperialismus möglich geworden.
Das ist sofort einleuchtend. Räume erobern durch Mobilität. Mit dem Einsatz des Rades wurde die Kraftkapazitt eines Lebewesens – ob Mensch oder Tier – bis zu einem Vielfachen potenziert. Damit bewältigen wir entlegenste Strecken in immer kürzerer Zeit. Es scheint aber auch so, als ob wir es mit 180 Pferdestärken geschafft hätten, unseren Verstand und unser Bewußtsein mehrfach zu überholen.
Die von Ilka Vogler recherchierte Verkehrsstatistik ist erschrecknd- 7.000 Menschen sterben im Jahr allein in Deutschland bei einem Verkehrsunfall (25.000 sind es in
Europa), 495.000 erleiden Verletzungen und 2,3 Millionen Menschen sind in Autounfälle verwickelt. Dies hat sie unten mit einer Video-Rauminstallation thematisiert und zwar in einer Bildersprache, die fast an einen unverstädndlichn Traum erinnert: Fahren als Vision, jenseits der bewußten Wahrnehmung. Es ist moralisierend, das gebe ich zu, uns mit solchen unangenehmen Fakten zu konfrontieren. Aber die Frage ist legitim, die sie künstlerisch stellt: was können wir eigentlich bei dieser Suche in bewußtloser Rastlosigkeit finden, was anderes als den Tod oder Leid, wenn uns das Leben in seiner Schönheit schon so wenig wert geworden ist?
Und es ist für mich ganz spannend zu sehen, dass gerade das Gegenmodell in Rosa hier gegenüber hängt. Waren wir als romantische Wanderer nicht auf der Suche nach der Vollkommenheit, dem Perfekten gar.
Mir fiel ein kleiner Aufsatz von Roland Barthes in die Hände, darin beschreibt er den neuen Citroën. Der Text ist schon älter, das Modell aber immer noch ein Symbol für Materialüberwindung-..: es geht dabei um den DS 19. Im Französischen vermittelt sich nebenbei noch ein schöner Sprachwitz: DS – déesse ausgesprochen bedeutet Göttin. Sie hatte viele Kurven und weiche Formen diese Göttin, ich verkneife mir jetzt das Schwärmen … , denn es geht um eine andere Aussage im Text, ich zitiere-.
„Man darf nicht vergessen, daß das Objekt der beste Bote der Übematur ist: es gibt im Objekt zugleich eine Vollkommenheit und ein Fehlen des Ursprungs, etwas Abgeschlossenes und etwas Glänzendes, eine Umwandlung des Lebens in Materie (die Materie ist magischer als das Leben) und letztlich: ein Schweigen, das der Ordnung des Wunderbaren angehört.“
Etwas weiter schreibt er: „Bekanntlich ist das Glatte immer ein Attribut der Perfektion, weil sein Gegenteil die technische und menschliche Operation der Bearbeitung verrät.“
Ich bin so dreist, diesen Gedanken auf llkas Bildobjekte zu übertragen: das Glänzende, Inbegriff des Perfekten ist hier die farbige Plastikfolie. In ihr vermittelt sich mit ihrer gleichmäßigen Farbigkeit und glatten Straffheit der ebenmäßige und gleichzeitig unfassbare Meta-Raum. Gelingt es uns wirklich noch an eine Tischdecke zu denken, wenn wir sie als Bildträger von Blumen, Blüten, Gräsern, Schrift oder Gebirgszügen zu Gesicht bekommen? Ich bezweifle das sehr.
Die Faszination wird sogar noch gesteigert, wenn dieses überirdische, aus der Zeit losgelöste Material, das nun in die Kunst erhoben wurde, wieder mit Endlichkeit in Berührung gebracht wird. Dies bewirkt llka nicht nur motivisch und durch ihren malerischen Eingriff, der das Überirdische mit dem Menschlichen wieder zusammenführt. Nein, es scheint mir sogar ein Teil ihrer Kunst, vielleicht noch mehr ein Teil ihrer Lebenshaltung. Die Plastik-Blüten und -Sterne sind nicht zufällig als Scherenschnitte draußen ausgelegt. Sie sind darauf ausgelegt, wegzuwehen und woanders Wurzeln zu schlagen. Jeder kann sich etwas mitnehmen, oder sie fliegen einfach weg- Sie zuckt die Achseln. Das ist eben so.
Was bleibt, ist eine Dokumentation. So geht es auch mit der Wandmalerei: demnächst wird hier renoviert, die Installation wird nach der Ausstellung natürlich abgebaut… sie ist auch extra für sie konzipiert. Was besitzt man schon, könnte man sich fragen? Und so wird auchentliehen, was von anderen ist, was einst einen anderen Zweck verfolgte: Texte, Bildmaterial, Filmmaterial. Alles verdichtet sich kurzzeitig zu einer Aussage und dann geht alles wieder auseinander…
und damit stehen wir am Grab von Rilke, dem großen neoromantischen Dichter und zwischen seiner Aussage und der von Brentano liegen etwa hundert Jahre. Er hat lange über diese Zeilen nachgedacht, die er für seine Grabinschrift ersonnen hat.
„Rose, oh reiner Widerspruch, Lust Niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.“
Am Platz, an dem jetzt keine Treppe mehr ist, hat llka Rosenblätter in drei Rottönen verstreut. Die drei ist eine heilige Zahl, die Zahl des Göttlichen. Die Rose steht für die Energie des Herzens und der Liebe als unendliche Größe. Auch hier treffen Endlichkeit und Ewigkeit aufeinander, Rastlosigkeit und Stille des Herzens.
… denn alle Lust braucht Ewigkeit
(Nietzsche) ?
Ich mache hier den berühmten break, natürlich gäbe es noch mehr zu sagen.
Wir können ja weiter darüber sinnen, oder in süßer Langsamkeit den Augenblick genießen und uns unseres Lebens freuen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Iris Simone Engelke, 2002